Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

1 Mose 27

[1] Als nun Jizchak ergreiste und seine Augen stumpf geworden waren zum Sehen, rief er Essaw, seinen älteren Sohn, und sprach zu ihm: Mein Sohn! Der sprach zu ihm: Da bin ich. [2] Er aber sprach: Da, ich bin doch ergreist, nicht weiß ich den Tag meines Sterbens, [3] hole jetzt doch deine Geräte: dein Gehäng, deinen Bogen, zieh hinaus ins Gefild, erjage mir Jagdfang, [4] mache mir Leckerbissen zurecht, wie ichs liebe, und brings mir, ich wills essen, daß meine Seele dich segne, ehe ich sterbe. [5] Ribka aber hatte gehört, was Jizchak zu seinem Sohn Essaw redete. Als nun Essaw ins Gefild ging, Jagdfang zu erjagen, um ihn zu bringen, [6] sprach Ribka zu ihrem Sohn Jaakob, sprach: Gehört habe ich da, wie dein Vater zu Essaw deinem Bruder redete, sprechend: [7] Bring mir Jagdfang und mache mir Leckerbissen zurecht, ich wills essen und will vor IHM dich segnen vor meinem Sterben. [8] Jetzt aber, mein Sohn, hör auf meine Stimme, auf das was ich dir gebiete, [9] geh doch zum Kleinvieh und nimm mir von dort zwei gute Ziegenböcklein, die will ich deinem Vater zu Leckerbissen zurechtmachen, wie ers liebt, [10] und du bringst sie deinem Vater und er solls essen, auf daß er dich segne vor seinem Sterben. [11] Jaakob sprach zu Ribka seiner Mutter: Aber Essaw mein Bruder ist ja ein haariger Mann, und ich bin ein glatter Mann, [12] vielleicht betastet mich mein Vater, dann bin ich in seinen Augen wie ein Gaukler und bringe über mich Verwünschung und nicht Segen. [13] Seine Mutter sprach zu ihm: Über mich deine Verwünschung, mein Sohn! hör nur auf meine Stimme, geh, nimms mir. [14] Er ging und nahm und brachte seiner Mutter, und seine Mutter machte Leckerbissen zurecht, wies sein Vater liebte. [15] Dann nahm Ribka die Gewänder Essaws, ihres ältern Sohns, die köstlichen die bei ihr im Hause waren, und kleidete Jaakob darein, ihren jüngern Sohn, [16] mit den Fellen der Ziegenböcklein aber verkleidete sie seine Hände und die Glätte seines Nackens. [17] Die Leckerbissen und das Brot, was sie zurechtgemacht hatte, gab sie ihrem Sohn Jaakob in die Hand. [18] Er kam zu seinem Vater und sprach: Mein Vater! Der sprach: Da bin ich. Welcher bist du, mein Sohn? [19] Jaakob sprach zu seinem Vater: Ich, Essaw, dein Erstling, ich habe getan, wie du zu mir geredet hast, richte dich doch auf, sitz und iß von meinem Jagdfang, daß deine Seele mich segne. [20] Jizchak sprach zu seinem Sohn: Wie so eilig hast dus gefunden, mein Sohn! Er sprach: Ja, ER dein Gott hats mir gefügt. [21] Jizchak sprach zu Jaakob: Tritt doch heran, daß ich dich betaste, mein Sohn, ob du es bist, mein Sohn Essaw, oder nicht. [22] Jaakob trat heran zu Jizchak seinem Vater. Der betastete ihn und sprach: Die Stimme Jaakobs Stimme, die Hände Essaws Hände - [23] aber er erspürte ihn nicht, eben weil seine Hände waren wie seines Bruders Essaw Hände, haarig, so segnete er ihn. [24] Und sprach: Du bist es, mein Sohn Essaw? Er sprach: Ich. [25] Nun sprach er: Reichs mir heran, ich will essen vom Jagdfang meines Sohns, daß meine Seele dich segne. Er reichte es ihm heran und er aß, er brachte ihm Wein und er trank. [26] Jizchak sein Vater sprach zu ihm: Tritt doch heran und küsse mich, mein Sohn. [27] Er trat heran und küßte ihn. Er aber roch den Geruch seiner Gewänder und segnete ihn und sprach: Sieh, der Geruch meines Sohns ist wie der Geruch eines Feldes, das ER gesegnet hat. [28] So gebe dir Gott vom Tau des Himmels und von den Fetten der Erde, Korns und Mostes die Fülle! [29] Völker sollen dir dienen, Haufen sich dir neigen, Herr sei deinen Brüdern, dir neigen sich deiner Mutter Söhne. Die dir fluchen, verflucht! die dich segnen, gesegnet! [30] Nun aber, wie Jizchak geendet hatte Jaakob zu segnen, nun aber - eben erst, eben war Jaakob hinaus von Jizchak seinem Vater - kam sein Bruder Essaw von seiner Jagd. [31] Auch er machte Leckerbissen zurecht und brachte sie seinem Vater. Er sprach zu seinem Vater: Richte sich mein Vater auf und esse vom Jagdfang seines Sohns, daß deine Seele mich segne. [32] Jizchak sein Vater sprach zu ihm: Wer bist du? Er sprach: Ich bin dein Sohn, dein Erstling, Essaw. [33] Jizchak erbebte, ein Beben übermächtig groß, er sprach: Wer also war der, der Jagdfang erjagte und mir brachte, daß ich aß von allem, eh du kamst, und gesegnet habe ich ihn! gesegnet muß er nun bleiben! [34] Als Essaw die Rede seines Vaters hörte, schrie er, einen Schrei, übermächtig groß und bitter, und sprach zu seinem Vater: Mich, auch mich segne, mein Vater! [35] Der sprach: Mit Trug kam dein Bruder und hat deinen Segen genommen. [36] Er sprach: Rief man drum seinen Namen Jaakob, Fersenschleicher? beschlichen hat er mich nun schon zweimal: genommen hat er einst mein Erstlingtum, und jetzt eben hat er noch meinen Segen genommen! Und sprach: Hast du mir nicht einen Segen aufgespart? [37] Jizchak antwortete, er sprach zu Essaw: Da, zum Herrn habe ich ihn ja über dich gesetzt, all seine Brüder gab ich ihm zu Dienern, mit Korn und Most habe ich ihn belehnt, - dir, was also kann ich tun, mein Sohn?! [38] Essaw sprach zu seinem Vater: Hast du nur den einen Segen, mein Vater? mich, auch mich segne, mein Vater! Essaw erhob seine Stimme und weinte. [39] Jizchak sein Vater antwortete, er sprach zu ihm: Muß da von den Fetten der Erde abseits dein Wohnsitz sein, vom Tau des Himmels von oben, [40] mußt von deinem Schwerte du leben, mußt deinem Bruder du dienen, - es wird geschehn: sowie du dich schüttelst, zerrst du sein Joch dir vom Nacken. [41] Essaw befehdete Jaakob um des Segens willen, mit dem sein Vater ihn gesegnet hatte. Essaw sprach in seinem Herzen: Die Tage der Trauer um meinen Vater nahn, dann erwürge ich meinen Bruder Jaakob. [42] Gemeldet wurden Ribka die Reden Essaws, ihres ältern Sohns. Sie schickte und ließ Jaakob, ihren jüngern Sohn, rufen und sprach zu ihm: Merk, dein Bruder Essaw vertröstet sich deinethalb, dich zu erwürgen. [43] Jetzt also, mein Sohn, höre auf meine Stimme: mach dich auf und entweiche, vor dich hin, zu Laban meinem Bruder nach Charan, [44] und sitze bei ihm etliche Tage, bis die Glut deines Bruders sich abkehrt, [45] bis der Zorn deines Bruders sich von dir abgekehrt hat und er vergessen hat, was du ihm tatest, dann schicke ich und lasse dich von dort nehmen, - warum soll ich euer beider zumal verwaisen an Einem Tag! [46] Zu Jizchak aber sprach Ribka: Es widert mich meines Lebens vor den Töchtern Chets, nimmt Jaakob sich ein Weib von den Töchtern Chets, wie diese da, von den Töchtern des Lands, wozu mir dann das Leben!