Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

2 Samuel 15

[1] Es geschah danach, daß Abschalom sich einen Wagen und Pferde anschaffte und fünfzig Mann, die vor ihm herliefen. [2] Frühmorgens pflegte sich Abschalom zu erheben und zuseiten des Wegs nach dem Ratstor hinzustehn, so geschahs: jeder Mann, der eine Streitsache hatte, die zum König hin zum Gericht kommen sollte, dem rief Abschalom zu und sprach: Von wo, welcher Stadt, bist du her? Sprach der nun: Von einem der Stäbe Jissraels ist dein Diener ..., [3] dann sprach Abschalom zu ihm: Sieh, deine Reden sind gut und passend, aber vom König aus wird dir kein Gehör. [4] Weiter sprach Abschalom: Wer doch mich zum Richter einsetzte im Land, daß an mich käme jedermann, der eine Streitsache und Rechtsforderung hat, Wahrspruch erlangte ich ihm! [5] Es geschah, wann jemand nahte, sich vor ihm niederzuwerfen, streckte er seine Hand aus, faßte ihn, küßte ihn. [6] Derart tat Abschalom bei allem Jissrael, denen, die zum Gericht zum König hin kamen, das Herz stahl Abschalom den Männern von Jissrael. [7] Es geschah gegen Ende der vierzig Jahre, daß Abschalom zum König sprach: Ich will doch gehn und in Hebron mein Gelübde erfüllen, das ich IHM gelobt habe, [8] denn ein Gelübde hat dein Diener gelobt, als ich in Geschur in Aram saß, sprechend: Läßt ER mich heimkehren, nach Jerusalem kehren, will ichs IHM abdienen. [9] Der König sprach zu ihm: Geh in Frieden! Er machte sich auf und ging nach Hebron. [10] Unter alle Stäbe Jissraels aber sandte Abschalom Kundschafter aus, zu sprechen: Sowie ihr den Schall der Posaune hört, sprecht: Gekönigt in Hebron ist Abschalom! [11] Mit Abschalom gingen zweihundert Mann aus Jerusalem, gerufen nur, in ihrer Einfalt gehend, von all der Abrede wußten sie nichts. [12] Abschalom sandte nach Achitofel dem Giloniter, dem Rat Dawids, von seiner Stadt, von Gilo aus. Als er nun die Schlachtungen schlachtete, wurde die Verknotung straff, fortgehend mehrte sich um Abschalom das Volk. [13] Die Meldung kam zu Dawid, man sprach: Das Herz der Mannschaft Jissraels ist hinter Abschalom. [14] Dawid sprach zu all seinen Dienern, die mit ihm in Jerusalem waren: Macht euch auf, wir müssen entweichen, denn wir werden keine Zuflucht vor Abschalom haben, eilet fortzugehn, sonst eilt er herbei und erreicht uns und läßt das Übel auf uns stürzen, schlägt die Stadt mit der Schneide des Schwerts! [15] Die Diener des Königs sprachen zum König: Allwie mein Herr König wählt, - hier sind deine Diener. [16] Der König zog hinaus und all sein Haus in seinen Fußstapfen, nur zehn Kebsweiber ließ der König zurück, das Haus zu verwahren. [17] Als nun der König hinauszog und alles Volk in seinen Fußstapfen, blieben sie am Fernhaus stehn. [18] Dann schritten seitlich an ihm vorüber all seine Dienstleute, alle Kretiter, alle Pletiter, und am Antlitz des Königs vorüber schritten alle Gatiter, sechshundert Mann, wie sie einst in seiner Fußspur aus Gat gekommen waren. [19] Der König sprach zu Ittaj dem Gatiter: Warum gehst auch du mit uns? kehr dich hin, setz dich hin bei dem König, denn fremdländisch bist du, und bist für deine Ortschaft ein Ausgewanderter, [20] gestern erst war deine Ankunft, und heut sollte ich dich bewegen, uns gesellt dahinzugehn! Ich gehe, wohin ich gehe, - kehr um, laß deine Brüder umkehren, Huld und Treue sei dir gesellt! [21] Ittaj antwortete dem König, er sprach: Sowahr ER lebt, sowahr mein Herr König lebt: ja, an dem Ort, wo mein Herr König sein wird, ob zum Tod, ob zum Leben, ja, dort wird dein Diener sein. [22] Dawid sprach zu Ittaj: Geh also, schreite vor. Ittaj der Gatiter schritt vor und all seine Mannen und aller Troß, der mit ihm war. [23] Wie sie nun, alles Heervolk, vorschritten, weinten die Landleute alle mit lauter Stimme. Der König war daran den Bach Kidron zu überschreiten, während all das Volk vor seinem Antlitz her auf dem Weg an der Wüste vorschritt. [24] Da war auch Zadok und alle Lewiten mit ihm, den Schrein des Gottesbunds tragend, sie setzten den Gottesschrein nieder und Ebjatar höhte dar, bis all das Volk aus der Stadt ganz vorübergeschritten war. [25] Der König sprach zu Zadok: Laß den Gottesschrein in die Stadt zurückkehren! finde ich Gunst in SEINEN Augen, dann wird er mich heimkehren lassen, mich den wiedersehn lassen und seine Klause, [26] spricht er aber so: Ich habe nicht Lust an dir, - da bin ich, er tue mir, wies in seinen Augen gut ist. [27] Weiter sprach der König zu Zadok dem Priester: Der Seher bist du, kehre in Frieden zur Stadt zurück, Achimaaz dein Sohn und Jonatan Ebjatars Sohn, eure beiden Söhne, mit euch, - [28] seht, ich will an den Überfahrten der Wüste säumen, bis Rede von euch kommt, mir etwas zu melden. [29] Umkehren ließ Zadok und Ebjatar den Gottesschrein nach Jerusalem, sie aber blieben dort. [30] Dawid stieg den Anstieg der Ölbäume zur Höhe. Er weinte im Steigen, umflort war das Haupt ihm, barfuß ging er, und alles Volk, das mit ihm war, sie umflorten jedermann sein Haupt, und stiegen zur Höhe, und weinten im Steigen. [31] Dawid - man meldete ihm, sprechend: Unter den mit Abschalom Verknoteten ist Achitofel. Dawid sprach: Narre doch, DU, Achitofels Rat! [32] Es geschah, als Dawid bis auf das Hügelhaupt kam, wo man sich vor Gott niederzuwerfen pflegt, da: ihm entgegen Chuschaj, der Arkiter, mit eingerissner Schaube, auf seinem Haupt Ackerstaub. [33] Dawid sprach zu ihm: Schreitest du mit mir hinüber, wirst du mir nur zur Last sein, [34] kehrst du aber zurück in die Stadt und sprichst zu Abschalom: Dein Diener will ich, o König, sein, deines Vaters Diener, ich wars von je, jetzt aber: dein Diener bin ich, - dann kannst du mir Achitofels Rat zerbröckeln. [35] Sind dort Zadok und Ebjatar, die Priester, nicht dir zugesellt? so solls geschehn: alle Rede, die du aus dem Königshaus hörst, meldest du Zadok und Ebjatar den Priestern, [36] da, ihre zwei Söhne sind dort ihnen gesellt, Achimaaz des Zadok und Jonatan des Ebjatar, durch die sendet ihr zu mir alle Rede, die ihr hört. [37] Als Chuschaj, Dawids Genosse, in die Stadt kam, sollte Abschalom grad nach Jerusalem hereinkommen.