Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

Hiob 24

[1] Weshalb sind vom Gewaltigen her nicht ausgespart Fristen, schauen, die ihn kennen, seine Richttage nicht? [2] Jene verrücken die Grenzen, rauben Herden und weiden sie selber, [3] entführen Waisen den Esel, pfänden das Rind der Witwe, [4] treiben die Dürftigen vom Wege, verkriechen müssen sich mitsammen die Armen des Landes. [5] Wohl, Zebras sie in der Wüste, ziehn zu ihrer Arbeit die aus: nach Zehrung suchen sie sich ab, die Steppe reicht solch einem Brot für die Knaben, [6] auf der Flur ernten sie jenem das Gemengsel ab, stoppeln im Weinberg des Schuldigen nach. [7] Entblößt nachten sie, ohne Gewand, in der Kälte haben sie keine Hülle, [8] sie triefen von der Strömung der Berge, schutzlos umklammern sie den Felsen. [9] [Man hat von der Brust weg die Waise geraubt, den Säugling des Armen hat als Pfand man genommen.] [10] Entblößt gehen sie, ohne Gewand, hungernd tragen sie Garben, [11] - zwischen jener Mauern dürfen mittags sie weilen - , treten die Kelter und dürsten. [12] Im Angstfieber müssen Sterbende ächzen, die Seele Durchbohrter um Hilfe schrein. Aber Gott setzt es nicht als Ungehöriges an. [13] Jene waren von den Aufrührern wider das Licht, seine Wege haben sie nicht erkannt, in seinen Steigen nicht verweilt. [14] Vorm Frühlicht steht der Mörder auf, schlägt Arme, Dürftige nieder, und in der Nacht treibt ers dem Dieb gleich. [15] Das Auge des Buhlers lauert auf die Dämmrung, es spricht draus: "Nicht soll ein Aug mich gewahren!", einen Schleier legt er ums Antlitz. [16] Im Finstern bricht in die Häuser man ein. Sie schließen sich ein bei Tage; das Licht kennen sie nicht. [17] Denn mitsammen ihnen gilt als Morgen der Todesschatten, denn geläufig ist solch einem der grausende Todesschatten, [18] leicht fährt der da auch übers Wasser hin. - "Verwünscht ist ihr Ackerteil im Lande! nie mehr darf solch einer sich weinbergwärts wenden! [19] Dürre, auch Hitze raffen das Schneewasser fort, das Gruftreich sie, die gesündigt haben. [20] Den vergißt der Mutterschoß, die Made läßt ihn sich schmecken, nie wieder wird seiner gedacht, baumgleich wird die Falschheit zerschlagen, [21] wer die Sprossenlose, die nicht gebar, plündert, der Witwe Ungutes tut." [22] - Und doch zieht Er mit seiner Kraft es hin für die Starken, solch einer steht auf, und traute seinem Leben nicht mehr: [23] Er begabt ihn mit Sicherheit, er wird gestützt. Wären aber Seine Augen über all ihren Wegen, [24] sie stiegen nur ein wenig, dann gäbs den nicht mehr, sie würden geduckt, verstummten gleich allen, würden einer Ährenspitze gleich erschlaffen. [25] Und wäre dem etwa nicht so? Wer straft mich Lügen und macht zunichte mein Wort?«