Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

Hiob 3

[1] Danach öffnete Ijob seinen Mund und verfluchte seinen Tag. [2] Ijob hob an, er sprach: [3] »Schwinde der Tag, an dem ich geboren ward, die Nacht, die sprach: "Ein Männliches ist empfangen!" [4] Jener Tag werde Finsternis, nimmer frage nach ihm Gott von oben, nimmer scheine Helle über ihn! [5] Ihn einfordern sollen Finsternis und Todschatten, Gewölk über ihm wohnen, Tagsverdüsterungen ihn umgrausen! [6] Jene Nacht, Dunkel nehme sie hin, nimmer eine sie sich den Tagen des Jahrs, in die Zahl der Monde komme sie nicht! [7] Da, jene Nacht, sie versteine, Gejubel komme nimmer in sie! [8] Die Tagverhexer solln sie verwünschen, die den Lindwurm zu wecken Bereiten! [9] Erfinstern sollen die Sterne ihrer Dämmrung, sie harre des Lichts und da ist keins, das Aufschimmern des Morgensrots ersehe sie nimmer! [10] Denn sie hat die Pforten meines Mutterleibs nicht geschlossen, daß er den Harm meinen Augen verbärge. [11] Warum starb ich vom Schoße nicht weg, fuhr aus dem Mutterleib nicht und verschied? [12] Weshalb sind mir Knie begegnet, wozu Brüste, daß ich dran söge? [13] Denn jetzt dürfte ich liegen und stillsein, dürfte schlafen und mir wäre Ruh [14] bei Urkönigen, Ratgebern des Erdreichs, die sich Trümmer wiedererbauten, [15] oder bei Fürsten, denen Gold eignete, die ihre Häuser füllten mit Silber. [16] Oder verscharrter Fehlgeburt gleich wäre ich nichts, Kindern gleich, die das Licht nicht ersahn. [17] Dort lassen ab die Schuldigen vom Toben, dort ruhn, deren Kraft erschöpft ist, [18] mitsammen sind die einst Gefangenen sorglos, hören die Stimme des Treibers nicht mehr. [19] Kleiner und Großer, dort ists dasselbe, ledig ist der Knecht seines Herrn. [20] Warum gibt Er Licht dem Verhärmten, den Seelenverbitterten Leben, [21] die auf den Tod warten und da ist keiner, mehr als nach verscharrten Schätzen schürfen nach ihm, [22] die aufs Übergewälzte sich freuen, entzückt sind, wenn sie fanden ein Grab, [23] dem Mann, dessen Weg im Verborgnen blieb, abgeschirmt hat sich Gott gegen ihn! [24] Denn meinem Brot kommt mein Ächzen zuvor, wassergleich ergießen meine Notschreie sich. [25] Denn wes Schreck mich schreckte, ereilt mich, wessen mich schauderte, überkommt mich. [26] Nicht wird mir Friede, nicht Stille, nicht Ruh, schon kommt das Erbeben.«