Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

Prediger 9

[1] Ja denn, all dies gab meinem Herzen ich ein, und das, um all dies zu klären: daß die Bewährten und die Weisen und all ihre Arbeiten in den Händen Gottes sind, so Liebe so Haß, keins weiß der Mensch, alles ist ihnen voraus. [2] Alles ist gleichwie für alle, Eine Widerfahrnis dem Bewährten und dem Frevler, dem Guten und Reinen und dem Makligen, dem, der Schlachtopfer bringt, und dem, der kein Schlachtopfer bringt, gleich ist der Gute, gleich der Sünder, der Schwörende gleichwie der den Schwur scheut. [3] Dies ist übel in allem, was getan wird unter der Sonne, daß eine Widerfahrnis für alle ist. Auch füllt sich mit Übel das Herz der Menschensöhne, und Tollheit ist in ihrem Herzen ihr Leben hindurch: »Danach - zu den Toten!« [4] Denn wer allen Lebendigen zugesellt ist, da gibts eine Sicherheit, denn »Besser dran ist ein lebender Hund als ein toter Löwe«. [5] Denn die Lebenden wissen, daß sie sterben werden, aber die Toten wissen kein Irgendwas, und sie haben weiter keinen Lohn, denn ihr Gedächtnis wird vergessen. [6] So ihre Liebe, so ihr Haß, so ihr Eifer, längst ists entschwunden, kein Teil haben sie weiter an der Welt in allem, was getan wird unter der Sonne. [7] Geh, iß in Freuden dein Brot, guten Herzens trinke deinen Wein, denn längst hat Gott dein Tun begnadet. [8] Allezeit seien weiß deine Kleider, Öls ermangle nicht dir auf dem Haupt. [9] Besieh das Leben mit dem Weib, das du liebst, alle Tage deines Dunstlebens, die er dir gegeben hat unter der Sonne, all deine Dunsttage, denn das ist dein Teil am Leben um deine Müh, damit du dich mühst unter der Sonne. - [10] Alles, was deine Hand zu tun findet, tu es mit deiner Kraft; denn kein Tun ist, noch Berechnung, noch Erkenntnis, noch Weisheit im Gruftreich, wohin du gehn mußt. [11] Wieder war es zu sehn unter der Sonne: nicht ist der Schnellen der Wettlauf und nicht ist der Helden der Krieg und auch nicht der Weisen ist Brot und auch nicht der Klugen Reichtum und auch nicht ist der Erkennenden Gunst, denn Frist und Zufall widerfährt ihnen allen. [12] Denn auch nicht kennt der Mensch seine Frist, Fischen gleich, die sich fangen im üblen Netz, Vögeln gleich, verfangen in der Schlinge, ihnen gleich, zu übler Frist, werden die Menschensöhne verstrickt, wenn es plötzlich sie überstürzt. [13] Auch dies habe ich an Weisheit gesehn, und sie erschien mir groß: [14] Eine kleine Stadt, wenig Leute darin, da kam ein großer König herzu, und umzingelte sie und baute wider sie große Bollwerke. [15] Nun fand darin sich ein Mann, ein entbehrender Weiser, der hat mit seiner Weisheit die Stadt gerettet. Aber nicht gedachte ein Mensch jenes entbehrenden Mannes. [16] Da habe ich, ich, gesprochen: Besser ist Weisheit als Heldentum, aber die Weisheit des Entbehrenden ist verachtet, und seiner Reden werden keine gehört. - [17] Reden Weiser, die in Ruhe zu hören sich geben, mehr sind sie als das Geschrei eines Herrschers über Toren. [18] Besser ist Weisheit als Kampfgerät, aber ein einziger Sünder macht vieles Gute schwinden: