Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

Sprüche 8

[1] Ruft nicht die Weisheit? gibt die Verständigkeit ihre Stimme nicht aus? [2] Zuhäupten der Höhn auf dem Weg, aufrecht an dem Treffpunkt der Steige, [3] zur Seite der Tore, an der Mündung der Burgstatt, an der Pforten Einlasse klagt sie: [4] »Euch, Männer, rufe ich an, meine Stimme die Menschenkinder.. [5] Lernt, Einfältige, Klugheit verstehen, Toren, verstehen den Herzsinn! [6] - Höret, denn führerisch red ich, was die Lippen mir öffnet, ist Gradheit, [7] denn Treuliches murmelt mein Gaum, ein Greuel ist meinen Lippen der Frevel, [8] in Wahrheit sind alle Reden meines Mundes, keine gewundne und krumme ist drunter, [9] ebenhin für den Verständigen sind sie alle, für die Finder der Erkenntnis gerade. [10] Nehmt meine Zucht an, nicht Silber, Erkenntnis lieber als erlesenes Gelbgold, [11] denn besser als Korallen ist Weisheit, und alle Kleinode entgelten sie nicht. [12] Ich, die Weisheit, wohne der Klugheit an, der Erwägungen Kenntnis befind ich. [13] IHN fürchten heißt hassen das Böse: die Hoffart, den Hochmut, den bösen Weg und den Mund der Verdrehungen haß ich. [14] Mein ist Rat und Besinnung, ich bin das Verstehen, mein ist die Macht. [15] Durch mich haben Könige Königschaft, verfügen wahrheitlich Potentaten, [16] durch mich sind Obere obenan und Edle, alle Richter der Erde. [17] Ich, die mich lieben liebe ich, die mich ersehnen werden mich finden. [18] Bei mir ist Reichtum und Ehre, stattliche Habe und Bewährung.. [19] Meine Frucht ist besser als Gelbgold und Feinerz, meine Einkunft als erlesenes Silber. [20] Auf dem Pfad der Bewährung geh ich, inmitten der Steige des Rechts, [21] den mich Liebenden Bleibendes zu übereignen, daß ich ihre Schatzkammern fülle. [22] ER hat mich als Anfang seines Weges gestiftet, als vorderstes seiner Werke von je. [23] Von urher bin ich belehnt, von der Frühe, von den Vorzeiten der Erde. [24] Als keine Flutwirbel waren, entsprang ich, als keine Quellen waren, die wasserschweren, [25] eh die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln entsprang ich, [26] da er noch nicht gemacht hatte Erdland und Fluren und die frühste Staubschicht des Runds. [27] Als er den Himmel bereitete, war ich dabei, als er den Umkreis schränkte über dem Wirbel, [28] als er den Luftraum festigte droben, als stark wurden die Quellen der Wirbelflut, [29] als er seine Schranke setzte dem Meer, daß die Wasser nicht sein Geheiß überschreiten, als er die Gründe des Erdreichs schränkte, [30] war ich neben ihm als Pflegling, war Ergötzen ich Tag um Tag, spielend zu aller Stunde vor ihm, [31] spielend auf dem Rund seiner Erde, mein Ergötzen an den Menschenkindern. [32] Und nun, Söhne, höret auf mich! O Glück deren, die hüten meine Wege! [33] Höret Zucht und werdet weise, nimmer lasset sie fahren. [34] O Glück des Menschen, der auf mich hört, Tag um Tag an meinen Türen zu wachen, meiner Eingänge Pfosten zu hüten! [35] Denn wer mich findet, hat Leben gefunden, Gnade hat er von IHM sich beschert. [36] Wer mich verfehlt, tut seiner Seele Gewalt an, alldie mich hassen, lieben den Tod.«