Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

Sprüche 9

[1] Die hohe Weisheit hat ein Haus sich erbaut, hat ihrer Pfeiler ausgehaun sieben, [2] hat ihr Schlachtvieh geschlachtet, hat ihren Wein gemischt, hat auch ihren Tisch schon bereitet, [3] hat ausgesandt ihre Mägde, läßt rufen auf den Höhenrücken der Burgstatt: [4] »Wer ist einfältig? er kehre hier ein!« Wems an Herzsinn mangelt, zu ihm spricht sie: [5] »Kommt her, Brot eßt von meinem Brot, trinkt vom Wein, den ich mischte! [6] Laßt ab von der Einfalt und lebt, wandelt auf dem Weg des Verstands!« [7] Wer einen Dreisten in Zucht nimmt, holt Schmach sich, wer einen Frevler rügt, ihm wirds ein Gebrest. [8] Rüge nimmer den Dreisten, sonst wird er dich hassen, rüge den Weisen, und er wird dich lieben. [9] Gib dem Weisen, so wird er noch weiser, dem Bewährten schenk Kenntnis, und er wächst an Vernunft. [10] Der Weisheit Anbeginn ist IHN fürchten, - das Heilige erkennen, Verstand. [11] Denn durch mich mehren sich deine Tage, wachsen Lebensjahre dir zu. [12] Wenn du weise bist, weise bist du dir zugut, bist du dreist, du allein wirst es tragen. [13] Frau Torheit ist lärmisch, die Einfaltsdame, die nie was erkannt hat, [14] da sitzt sie am Eingang ihres Hauses, auf dem Höhenstuhle der Burgstatt, [15] zurufend ihnen, die ziehen des Wegs, die an gerade Pfade sich halten: [16] »Wer ist einfältig? er kehre hier ein!« Mangelts einem an Herzsinn, spricht sie zu ihm: [17] »Gestohlenes Wasser ist süß, Brot der Heimlichkeit angenehm.« [18] Und er erkennt nicht, daß Gespenster dort sind, die von ihr Gerufnen in den Tiefen des Gruftreichs!