Die Schrift

Übersetzung des Alten Testaments von Martin Buber
und Franz Rosenzweig von 1929

Bibelübersetzung

Psalm 78

[1] Eine Eingebungsweise Assafs. Lausche, mein Volk, meiner Weisung! neigt euer Ohr den Sprüchen meines Munds! [2] Meinen Mund will ich öffnen im Gleichwort, Rätsel sprudeln von ureinst. [3] Was wir hörten, daß wirs erkennen, und uns unsre Väter erzählten, [4] nicht hehlen wirs ihren Söhnen in einem späten Geschlecht, SEINE Preisungen erzählend, seine Siegesmacht und seine Wunder, die er getan hat. [5] Er erstellte in Jaakob Zeugnis, Weisung setzte er in Jissrael ein, die er unseren Vätern entbot, ihre Söhne sie kennen zu lehren, [6] damit ein spätes Geschlecht erkenne, Söhne, einst geborene, aufstehn und ihren Söhnen erzählen, [7] daß auf Gott sie ihre Zuversicht setzen und nicht vergessen des Handelns der Gottheit und ihre Gebote wahren [8] und nicht werden wie ihre Väter ein störriges und widerspenstiges Geschlecht, ein Geschlecht, das nicht festigt sein Herz und nicht treu ist mit der Gottheit sein Geist. [9] Die Söhne Efrajims, wohlbewaffnete Bogenschützen, die sich wandten am Tage der Schlacht! [10] Sie hüteten Gottes Bund nicht, weigerten sich in seiner Weisung zu gehn. [11] Sie vergaßen sein Handeln, seine Wunder, die er sie sehn ließ: [12] Wunderbares tat er vor ihren Vätern in dem Land Ägypten, Zoans Gefild, - [13] er spaltete Meer und führte sie durch, staute Wasser wie einen Damm, [14] leitete sie mit der Wolke am Tag, all die Nacht mit dem Feuerschein, [15] Felsen spaltete er in der Wüste und letzte sie wie von Urwirbelfülle, [16] Rinnsale holte er aus dem Gestein, ließ Wasser niederfließen wie Ströme. [17] Sie aber sündigten gegen ihn weiter, in der Heide widerspenstig dem Höchsten. [18] Sie prüften die Gottheit in ihrem Herzen, ihrer Seele Atzung erheischend, [19] sie redeten wider Gott, sie sprachen: »Vermag die Gottheit einen Tisch in der Wüste zu rüsten? [20] Wohl, den Fels hat er geschlagen, und Wasser quoll, Bäche spülten heran, - vermag er Brot auch zu geben, kann er Wildbret zurichten seinem Volk?« [21] Drum, es hörend, wallte ER auf, Feuer entfachte gegen Jaakob sich, ja, Zorn stieg gegen Jissrael. [22] Denn Gotte vertrauten sie nicht, sicherten sich nicht in seinem Befreien. [23] Da gebot er den Lüften von oben, die Himmelstüren öffnete er [24] und regnete das Man auf sie hin zum Essen, gab ihnen Himmelskorn. [25] Brot der Recken aß jedermann, Zehrung sandte er ihnen zur Satte. [26] Den Ost hieß er ausziehn am Himmel, mit seiner Macht lenkte den Süd er, [27] und regnete Wildbret auf sie hin wie Staub, wie Sand der Meere geflügelte Vögel, [28] ließ die fallen ins Innre seines Lagers, rings um seine Wohnungen hin. [29] Sie aßen und wurden sehr satt, ihr Begehr ließ er zukommen ihnen. [30] Nicht fremdete sie ihrer Begier, noch war in ihrem Munde ihr Essen, [31] da stieg Gottes Zorn gegen sie, würgte unter ihren Feisten, die Jünglinge Jissraels knickte er. [32] Bei all dem sündigten sie noch, sie vertrauten nicht seinen Wundern. [33] Da ließ er im Dunst ihre Tage schwinden, ihre Jahre in der Verstörung. [34] Würgte er sie, dann fragten sie nach ihm, als kehrten sie um und ersehnten die Gottheit, [35] gedächten, daß Gott ihr Fels sei, Gottheit, der Höchste, ihr Erlöser. [36] Mit ihrem Mund wollten sie ihn betören, ihn täuschen mit ihrer Zunge, [37] nicht gefestigt bei ihm war ihr Herz, nicht treu sie in seinem Bund. [38] Er aber ist erbarmend, er bedeckt die Verfehlung und verderbt nicht, er ließ seinen Zorn vielmal abkehren sich, er erregte nicht all seinen Grimm. [39] Er gedachte, daß Fleisch sie seien, Hauch, der geht und kehrt nicht zurück. [40] Wie oft widerstrebten sie ihm in der Wüste, betrübten in der Einöde ihn, [41] wiederholend prüften sie Gottheit, den Heiligen Jissraels probten sie aus. [42] Nicht gedachten sie seiner Hand, des Tags, da er sie abgalt vom Bedränger, [43] als in Ägypten seine Zeichen er setzte, seine Erweise in Zoans Gefild: [44] in Blut wandelte deren Flußarme, daß ihre Rinnsale untrinkbar wurden, [45] er schickte das Geziefer an sie, und es fraß sie, den Frosch, und er verderbte sie, [46] er gab ihr Gewächs dem Schröter, dem Heuschreck ihren Fleiß, [47] mit dem Hagel würgte er ihre Rebe, ihre Maulbeerfeigen mit dem Wettersturz [48] und überlieferte dem Hagel ihr Vieh, ihre Zucht den Brandflitzen, [49] er schickte die Flamme seines Zornes an sie, Überwallen und Dräun und Bedrängnis, Schickung von Boten der Übel, [50] er ebnete seinem Zorn eine Bahn, er enthielt dem Tod ihre Seele nicht vor und lieferte ihr Leben der Pest aus [51] und schlug allen Erstling in Ägypten, der Manneskraft Anfangsproß in den Zelten Chams. [52] Er ließ sein Volk hinausziehn wie Schafe, lenkte wie eine Herde sie in der Wüste, [53] leitete sicher sie, daß sie nicht erschraken, da ihre Feinde zuhüllte das Meer, [54] er ließ sie zum Bereich seines Heiligtums kommen, diesem Berg, den seine Rechte erwarb, [55] er vertrieb Stämme vor ihnen, verfällte ihnen Eigentum mit der Meßschnur und hieß in deren Zelten wohnen die Zweige Jissraels. [56] Gott den Höchsten prüften sie, widerstrebten, hüteten seine Zeugnisse nicht, [57] wie ihre Väter schwenkten sie ab und verrieten, schnellten um wie ein trügrischer Bogen. [58] Mit ihren Koppen verdrossen sie ihn, ereiferten ihn mit ihren Meißeldocken. [59] Gott hörte es und wallte auf, er verwarf Jissrael gar, [60] er entsagte der Wohnung zu Schilo, dem Zelt, da er unter den Menschen eingewohnt hatte. [61] In die Gefangenschaft gab er seine Macht, sein Prangen in die Hand des Bedrängers, [62] er überlieferte dem Schwerte sein Volk, gegen sein Eigentum wallte er auf: [63] dessen Jünglinge fraß das Feuer, dessen Maiden ward die Brautpreisung nicht, [64] dessen Priester fielen durchs Schwert, dessen Witwen konnten nicht beweinen. [65] Mein Herr erwachte einem Schlafenden gleich, einem Helden gleich, der sich aufrüttelt vom Wein, [66] er schlug seine Bedränger hinten, Weltzeithohn gab er über sie. [67] Er verwarf das Zelt Jossefs, den Stab Efrajim erwählte er nicht, [68] doch er wählte den Zweig Jehuda, den Berg Zion, den er liebte, [69] baute den Höhn gleich sein Heiligtum, der Erde gleich, die er auf Weltzeit gegründet, [70] er erwählte Dawid seinen Knecht, nahm ihn von den Pferchen der Schafe, [71] von hinter den Säugenden ließ er ihn kommen, zu weiden Jaakob, sein Volk, Jissrael, sein Eigentum. [72] Und er hat sie nach der Schlichtheit seines Herzens geweidet, sie geleitet mit der Vernunft seiner Hände.